15.09.2011|Kompostieranleitungen

Blausäuregerucht auf dem Kompost

Guten Tag Herr Balmer
wir haben einen wirklich guten und stabil arbeitenden Komposthaufen auf
unserem Freizeitgrundstück. Ist es möglich, zerkleinertes Laub und Gehölz
der spätblühenden Traubenkirsche (Prunus serotina) zu kompostieren?
Da sich bereits beim Zerkleinern des Materials ein sehr starker
Blausäuregeruch breit macht, habe ich Bedenken, das reiche Leben in unserem
Komposthaufen (hierzu gehören neben den üblichen Kleinstlebewesen auch
Echsen, Frösche und kleine Schlangen) zu vergiften.
Sollte eine Kompostierung möglich sein, würde ich gerne wissen, ob die
Blausäure vollständig zersetzt wird, oder ob ich sie beim Verteilen des
Komposts auf meinen Beeten mitverteile. 
Ist ein gleichzeitiger Anbau von Kürbissen am Rand des Komposts möglich,
oder kommt es in den Früchten zu einer Anreicherung der Blausäure ?
Über eine Antwort von Ihnen würde ich mich sehr freuen, da ich hier in
Deutschland keine Informationen finden kann.
Vielen Dank! Mitfreundlichen Grüßen
S. Barmeier

Sehr geehrte Frau Barmeier
Sie bringen mich mit Ihrer Frage vor eine schwierige Entscheidung. 
Was die Kompostierung von Prunus serotina betrifft habe ich keine Bedenken, falls diese sachgerecht durchgeführt wird (zerkleinern - mischen - feucht halten und immer zudecken). Ein solcher Kompost ist ja eine wahre Brutstätte für nützliche Mikroorganismen (Bakterien, Pilze), die durch Ausscheiden entsprechender Enzyme die Giftwirkung aller in der Natur vorkommenden Pflanzengifte neutralisieren können. Wie leben ja schliesslich auf einem bewohnbaren Planeten, wo sich die Lebewesen nicht in einem ständigen "Giftkrieg" befinden. Am Ende muss also dafür gesorgt sein, dass sich eine Lebensform, die aeroben (sauerstoffzehrenden) Mikroben, darum kümmert, die Giftstoffe in unbedenkliche Bestandteile zu zerlegen. Ich habe beim Kompostieren des mit Prunus s. verwandten gehäckselten oder geschredderten, ebenfalls giftigen Kirschlorbeers (Prunus laurocerasus) niemals festgestellt, dass die Verrottung irgendwie behindert wurde, oder dass die Kleintierfauna im Kompost sichtbaren Schaden erlitten hätte. Den Kompost können Sie bedenkenlos im Garten verwenden; die gefürchtete Blausäure hat sich längst verflüchtigt. Sie geht auch in keiner Art und Weise in den Stoffwechsel von Pflanzen ein. Jede Pflanze muss das Gift, wenn sie denn solches enthält, selber herstellen und der Kürbis z.B. gehört ja keinesfalls dazu, wenn er sortenrein ist.

Nun ist es aber so, dass aus dem zunächst ungiftigen, in vielen Steinobstgewächsen (Prunidae), vor allem in den Samenkernen vorhandene Amygdalin, durch Zerfall oder enzymatische Prozesse Cyanwasserstoff = Blausäure frei wird, die für Tiere und Menschen als sehr giftig eingestuft wird. Wenn Ihr Komposthaufen also mit Echsen, Fröschen (eher Kröten?) und kleinen Schlangen (eher Blindschleichen?) besiedelt ist, kann ich Ihnen keinesfalls garantieren, dass die Blausäure bei ihnen keinen Schaden anrichtet. Ich habe bisher dazu einfach gar keine Erfahrungen sammeln können. Ich finde es übrigens nicht so toll, dass Ihr Komposthaufen diese Tiere beherbergt, die gehören vielmehr in den Totholzhaufen, der ja in keinem Biogarten fehlen sollte. Wenn Sie den Kompost ernten, vertreiben Sie ja die besagten Kleintiere ohnehin; im Totholzhaufen bleiben sie für immer unbehelligt.

Es tut mir leid, dass ich Sie ein wenig im Ungewissen lassen muss. Persönlich hätte ich keine Bedenken, Prunus serotina zu kompostieren. Aber Ihnen kann ich die Entscheidung leider nicht abnehmen.

Mit freundlichem Gruss
Dr. Hans Balmer
Beratung für Humuspflege und Kompostierung

zurück zur Übersicht